Internet of Things: Von mitdenkenden Mixern und der vierten industriellen Revolution

20.09.2017

Industry40Copyrightzapp2photo 160Hört Otto Normalverbraucher vom Internet of Things (IoT), wird zunächst die Stirn in Falten gelegt und dann darüber philosophiert, ob es tatsächlich so gut sei, dass sein Kühlschrank künftig alleine Nahrungsmittel bestellt. Tatsache ist allerdings, dass das IoT bereits jetzt deutlich mehr zu leisten vermag, als schlaue Küchenutensilien zu vernetzen, im gleichen Atemzug aber nicht den Beginn der Herrschaft der Maschinen über den Menschen darstellt. Vielmehr seine Komplettierung...

 

Das Internet of Things (IoT) übt nach wie vor eine nahezu ungebrochene Faszination aus. Man bedenke nur all die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Milliarden von Maschinen, Wearables wie Smartwatches, sich über den Verkehr austauschende Fahrzeuge, ja selbst „intelligente“ Kleidungsstücke, welche die Vitaldaten des Trägers überwachen. Alles ist miteinander vernetzt, kommuniziert, tauscht Informationen aus – so sieht die Zukunft aus. Denkt man. Denn eigentlich sind solche Dinge seit einer ganzen Weile bereits Realität.

 

Da „ein“ Internet nun mal nicht wirklich sichtbar ist, bemerkt man oft gar nicht, wie allgegenwärtig diese Technologie bereits ist. Nehmen wir als Beispiel den Automobilzulieferer Bosch, der bereits seit Jahren an der Vehicle-to-X-Technologie (Fahrzeug-zu-X-Kommunikation oder V2X) forscht. Diese ist ein Eckpfeiler des hochautomatisierten Fahrens und stellt sowohl die Kommunikation zwischen mehreren Fahrzeugen (Vehicle-to-Vehicle) als auch den umgebenden Infrastrukturen (Vehicle-to-Infrastructure), also beispielsweise Ampelanlagen oder Verkehrsleitsystemen, dar.

 

Der Unterschied zu Assistenzsystemen, wie dem in den Tesla-Modellen liegt darin, dass es, wie der Name schon sagt, nur ein Assistent ist – eine Unterstützung. Kommt es zu einem vermeidbaren Unfall, übergibt das Fahrzeug die Kontrolle nach einer Warnung wieder an den Fahrer und die Verantwortung liegt bei ihm. Die von Bosch entwickelte Technologie hingegen, soll ein hundertprozentiges autonomes Fahren erlauben, nicht nur auf der rechten Spur der Autobahn, sondern auch in unübersichtlichen Innenstädten und engen Dorfgassen. Kommt es hier zu einer Gefahrensituation, handelt das Auto vollkommen autonom und kann auf die Lage reagieren – im Idealfall, in dem das Gefährt kontrolliert zum Stillstand gebracht wird. Diese Entwicklung befindet sich nicht erst in den Kinderschuhen, sondern ist bereits auf einem beachtlichen Stand, der theoretisch schon reif für die Straße ist.

 

Mit der Vehicle-to-X-Technologie werden konstant Daten von umgebenden Fahrzeugen, Infrastrukturen und Personen gesammelt und ausgewertet. Durch diesen ständigen Datenaustausch werden Unfälle verhindert, Fahrtrouten bei Hindernissen optimiert und die Verkehrsleitstellen können den Verkehrsfluss optimieren.

 

 

Internet of Things: Die intelligente Stadt

Vernetzte Fahrzeuge und eine intelligente Umgebung sind nur eines der vielen Anwendungsgebiete für das Internet der Dinge. Zwar liegt hier auch mit das größte Potenzial, denn immerhin könnte das IoT dazu beitragen, viele tausend Menschenleben zu retten, indem Unfälle künftig durch die selbstfahrenden und kommunizierenden Fahrzeuge verhindert werden.

 

Ein weiteres Szenario für den Einsatz des Internet of Things ist die intelligente Stadt, oder „Smart City“. Auf der diesjährigen CeBit beispielsweise stellte das chinesische Unternehmen ZTE seine LPWAN-Lösung (Low-Power Wide Area Network) „Smart Street 2.0“ vor. Das Konzept sieht vor, in Kombination mit dem IoT, einer Cloud-Computing Plattform und Big Data Technologien, öffentliche Dienstleistungen der Städte effizienter zu gestalten. Als Beispiele werden hier mitunter die positiven Auswirkungen auf die Umwelt durch intelligente Navigation und Routenführungen auf Basis von Echtzeit-Datenanalysen erwähnt.

 

Die Interaktion mit den, in der „intelligenten Stadt“ lebenden Bürger, erfolgt per App, damit die Kommunikation auch möglichst unproblematisch und direkt erfolgt. So bekommen die Nutzer per Push-Mitteilung Informationen über diverse Hinweise, Navigation und hilfreiche Erinnerungen darüber, dass beispielsweise bald das Parkticket abläuft, denn die Zentrale erfasst auch Daten über Smart Parking und Bußgelder.

Diese Zentrale ist das Herzstück der Smart City. Das Street Command & Control Center bildet den wichtigsten Backend-Knotenpunkt in der Stadt, quasi das Großhirn des Organismus. Sie interagiert mit sämtlichen Teilsystemen und erfasst deren Daten.

Neben den bereits erwähnten Annehmlichkeiten soll die Smart City 2.0 den Einsatz ihrer Straßenleuchten selbst regeln. Dabei spielen die bisherigen Rundsteuerempfänger allerdings keine Rolle mehr. Die Laternen bestimmen autark anhand von Lichtverhältnissen, Uhrzeit und Wetter, ob es nun sinnvoll ist, Licht zu spenden, oder nicht. Auch die Daten darüber, in welcher Helligkeit die Straßenlampe erscheinen soll ist bereits im Control Center hinterlegt und wird dann bei Bedarf von den Devices abgefragt und umgesetzt.

Darüber hinaus erfassen Sensoren die Abfallmenge in den Mülleimern und melden an das „Hirn der Stadt“, wenn der Behälter zu 80 Prozent voll ist. Diese Informationen werden dann wiederum als Push-Mitteilung an den zuständigen Müllfahrzeugfahrer weitergeleitet, der sich dann schnellstmöglich um die Leerung kümmern kann. Wie bereits erwähnt, erfolgt die Navigation zum meldenden Behältnis über die effizienteste Route.

 

Internet of Things und Industrie 4.0

Selbstredend ist auch in der Fertigung das Internet of Things die eigentlich treibende Kraft hinter der „vierten industriellen Revolution“, oder Industrie 4.0. Die Möglichkeiten für die Unternehmen und die damit verbundenen Verbesserungen für einzelne Anwendungsgebiete waren bis vor einigen Jahren noch nicht einmal auszudenken. Zum jetzigen Zeitpunkt sorgen noch einfache IoT Use Cases dafür. Diese konzentrieren sich auf Sensordatenerfassung und -auswertung einzelner Maschinen und können durch Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung auf Basis laufend erfasster Daten, dem Betreiber mitteilen, wann die Maschine einen Kundendienst benötigt. Das verringert das Risiko eines unvorhergesehenen Ausfalls und reduziert die Wahrscheinlichkeit finanzieller Einbußen, wenn die Bänder stillstehen.

Künftig werden die meisten Abläufe automatisiert – zumindest dann, wenn die unterschiedlichen Datenstandards der Maschinen- und Anlagenbauer auf ein einheitliches Format gebracht werden, denn bisher scheitert die Automation leider oft an diesen Differenzen.

Neben der fertigenden Industrie finden auch andere Branchen den Einsatz des Internet of Things außerordentlich spannend, eben weil die Anwendungsgebiete so vielfältig sind. Für Marketingunternehmen bedeuten „smarte Dinge“ auch, dass sie deutlich mehr Daten und Informationen über Käufer sammeln können. Für die bedeutet das, dass beispielsweise Werbung noch deutlich personalisierter ausfallen kann, als es jetzt bereits auf beispielsweise Amazon der Fall ist.

Das kann zwar auf der einen Seite unerwünscht sein, auf der anderen Seite kann sich die Lebensdauer der gekauften Güter dadurch auch verlängern, wenn der Anbieter dem Kunden aufgrund der gesammelten Daten Wartungsmaßnahmen verkaufen kann. Gerade für Serviceunternehmen ist eine solche Möglichkeit Gold wert.

 

Das Internet of Things im Hier und Jetzt

Wenn es um das mögliche Potenzial des IoT geht, scheinen die Möglichkeiten grenzenlos. Und das ist nicht einmal übertrieben. Eine komplett vernetzte, intelligente Welt, die mit den Menschen interagiert und kommuniziert, ist also keine reine Science-Fiction mehr, sondern steht bereits in den Startlöchern, auch wenn die Anfänge derzeit natürlich noch weit entfernt von den finalen Leistungen ist.

Dennoch haben sich die smarten Devices bereits etabliert, zwar noch im kleinen Maße, aber in einem wichtigen Sektor: der Gesundheit. Als Paradebeispiel gehen hier die Sportler voran, die regelmäßig mit ihren Gadgets, Apps und Wearables genau ihre Leistungen überwachen. Wer nun kein Leistungssportler ist, kann mit solchen Gerätschaften dennoch Einblicke über seine Lebensweise erhalten und was er dafür tun kann, diese zu verbessern.

Das Spektrum ist breit: Da gibt es beispielweise Blutdruckmessgeräte, die ihre Nutzer über Auffälligkeiten informieren. Für den besonders sensiblen Bereich der kindlichen Gesundheit gibt es Gadgets, die oft anfallende, aber lästige Aufgaben übernehmen. Intelligente Fieberthermometer oder sogar Schnuller, die die Temperatur des Kindes überwachen sind nur die Spitze des Eisbergs. Auch im gehobenen Alter sind die intelligenten Helfer mittlerweile anzufinden, beispielsweise in über Rollatoren mit Sensoren, die vor Stürzen bewahren sollen. Aber auch „in“ Hörgeräten, Spazierstöcken und der täglichen Dosierung von Medikamenten steckt inzwischen schon ein kleines Stück Internet of Things.

Das ist nur ein Sektor, in dem das IoT anzutreffen ist. Möglicherweise genügt schon ein Blick in das eigene Wohnzimmer. Smart Home ist das Stichwort. Bereits 30 Prozent der Deutschen nutzen Komponenten aus diesem Repertoire, das sich vom intelligenten Heizungsthermometer über das mitdenkende Zutrittskontrollsystem für die Haustür bis hin zum Kühlschrank mit Kamera erstreckt.

Devices wie Google Home oder Amazon Echo haben ihre digitalen Ohren immer gespitzt und warten darauf, dass der Nutzer einen Wunsch äußert, den es zu erfüllen gilt.

Nun bleibt bei all dieser Digitalisierung natürlich die Frage nach dem Datenschutz und der Anfälligkeit dieser Systeme. Beispielsweise hat es die US-Zeichentrickserie Southpark geschafft, digitale Assistenten wie Amazon Echo und Google Home zu „hacken“. Einfach nur dadurch, dass in der Serie die jeweiligen Aktivierungsfloskeln genutzt wurde. So schaffte es die Figur Cartman in tausenden US-Haushalten, Alexa „big hairy balls“ sagen zu lassen. Für die Zuschauer der Serie war das ein amüsantes Erlebnis. Für Skeptiker und Datenschützer, verständlicherweise, ein No-Go.

Die Website Consumerist forderte die Unternehmen bereits zu einer Stellungnahme auf, eine Antwort blieb bisher aber noch aus. Die Angst der Kritiker, man werde konstant abgehört und ausspioniert bekommt durch solche Vorkommnisse noch einmal Brennstoff.

 

Auch, dass vermehrt die Kriminalität digital wird, bietet Grundlage für viele kritische Argumente. Wenn sich mehrere hundert Milliarden Wearables und Geräte untereinander austauschen, fällt eine Datenmenge an, die mit dem heutigen Stand noch gar nicht wirklich zu erfassen ist. Für Cyberkriminelle kann dies ein gefundenes Fressen sein, denn neben den unwichtigen Vitalfunktionen eines Rentners befinden sich möglicherweise Betriebsgeheimnisse eines hochdotierten Aktienunternehmens.

Der positive Aspekt der smarten Gadgets ist aber ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Wir leben in einer hektischen Welt, in der es immer schneller vorwärts geht. Ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung und eine kränkelnde Umwelt wirken sich immer stärker auf den Menschen aus. Eine gewisse Hilfestellung, auch wenn sie „nur“ digital ist, kommt dabei sehr gelegen.

Emissionsfreie Elektromotoren in Verbindung mit einer automatisierten Fahrweise und einer intelligenten Umgebung, welche die effizienteste Routenführung und den kürzesten Weg zu einem freien Parkplatz übermittelt, kann die Umwelt deutlich entlasten.

Mit Wearables können Daten an Versicherungen übermittelt werden, die ihren Mitgliedern attraktive Beiträge anbieten, wenn diese sich bewusst ernähren und Sport treiben. Sämtliche Vitalfunktionen werden erfasst, digitalisiert und die Daten von Spezialisten ausgewertet, wodurch sich frühzeitig Krankheiten erkennen und bekämpfen lassen.

Es ist zwar richtig, dass der Datenschutz erneut für uns Deutsche das größte Hindernis darstellt, aber wenn der notwendige Mindeststandard eingehalten werden kann, steht einer durchaus interessanten Zukunft nichts im Wege.




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