Industrie 4.0 und die Apps

15.02.2016

Industrie4.0QuelleFotolia UBereits seit der CeBIT Messe 2011 in Hannover, wird Industrie 4.0 gehyped. Gefühlt spricht ganz Deutschland darüber und nahezu jeder Firmeninhaber will mit seinem Unternehmen Teil der vierten industriellen Revolution werden. Wie viele Industrie 4.0 dann tatsächlich praktizieren, steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben. Laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik der ZHAW in Kooperation mit dem Konstanzer Institut für Prozesssteuerung der HTWG Konstanz, nutzen bisher gerade einmal 6 Prozent der Unternehmen Datenintegration. Verglichen mit dem Stellenwert des Hypes ist das verschwindend gering. Die Integration jedoch ist allerdings Grundlage für die Digitalisierung und die Zusammenführung aus Anlagendaten und Prozessen. Einen weiteren wichtigen Baustein vergessen viele ebenfalls häufig: maßgeschneiderte Apps stellen Informationen aus dem Produktionsprozess zeit- sowie ortsunabhängig zur Verfügung und erschließen die Vorteile einer vernetzten Smart Factory.

 

Nehmen wir uns kurz einen Augenblick und schauen uns die Wikipedia-Definition von Industrie 4.0 an. Hier heißt es wörtlich: „Die für Industrie 4.0 notwendige Automatisierungstechnik soll durch die Einführung von Verfahren der Selbstoptimierung, Selbstkonfiguration, Selbstdiagnose und Kognition intelligenter werden und die Menschen bei ihrer zunehmend komplexen Arbeit besser unterstützen.“ Daraus soll eine effiziente, ergonomische und wandlungsfähige „intelligente Fabrik“ werden – eben die Smart Factory.

Führend in dieser Richtung ist in Deutschland das produzierende Gewerbe. Hoher Automatisierungsgrad, Großproduktion kombiniert mit maßgeschneiderten Kundenwünschen, kostengünstig aber hochqualitativ. Möglich ist das durch über digitale Schnittstellen miteinander vernetzte Roboter, die sich nahezu in Echtzeit austauschen. Das verbindet Massenproduktion mit individuellen Ansprüchen und verschafft überlebenswichtige Wettbewerbsvorteile.

 

Beispiel BMW Group

In den BMW Werken München und Leipzig wurden die Mitarbeiter in der Produktion mit Smartwatches ausgerüstet. Die mobile Devices sollen die Prozesse noch effizienter gestalten. Via Vibrationsalarm und blinkendem Display sollen sie darauf aufmerksam machen, dass beim kommenden Fahrzeug eine Änderung der Abläufe beachtet werden muss – beispielsweise müssen andere Schrauben verbaut werden.

Darüber hinaus erhöht der Einsatz automatisierter Datenanalysen die Prozesssicherheit in den Werken der BMW Group. Unmengen an kleinen Maßnahmen werden ausgewertet und dokumentiert, zum Beispiel ein einzelner Schraubvorgang. Die Daten werden automatisch strukturiert und analysiert. Weichen die so gesammelten Informationen von den Standards ab, werden umgehend Maßnahmen eingeleitet, bevor es überhaupt zu einer Prozessstörung kommen kann.

Industrie 4.0, Internet Of Things oder Smart Services sind – verständlicherweise – bisher also am ehesten im produzierenden Gewerbe anzutreffen. Das soll aber nicht heißen, dass diese Projekte nicht auch auf andere Branchen übertragen werden können. Allerdings trauen sich viele Verantwortliche in den Unternehmen nicht, weil sie die Kosten scheuen. Hier hilft ein Business Case, denn wenn man erst einmal Kosten und Nutzen gegenübergestellt hat, dürfte recht schnell klar werden, welchen Mehrwert eine solche Veränderung mit sich bringt.

 

Beispiele aus anderen Branchen

Ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet, das man nicht unbedingt in Verbindung mit Industrie 4.0 bringt ist die Anlagentechnik. Hier herrscht ein harter Preis-Wettkampf, der vor allem durch auf den Markt drängende chinesische Unternehmen ausgelöst wurde. Ein deutscher Mitbewerber hat es jedoch geschafft, sich und seinen Kunden einen enormen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen: er hatte über einige Zeit Informationen seiner Anlagen erfasst und ausgewertet. Auf deren Basis konnte das Unternehmen eine virtuelle Maschine anfertigen. An dieser konnten die Kunden bereits ihr Personal schulen, sich mit der Funktion vertraut machen und sich den Vorteil verschaffen, dass sie deutlich schneller starten konnten als die Konkurrenten.

In eine ganz andere Richtung geht das Schadenmanagement an Tankstellen. Immer wieder kommt es zu Schäden durch Autorempler. Für den Pächter und die Mitarbeiter ist die Regulierung ein enormer Aufwand: Schäden dokumentieren, Gutachter einschalten, Kontaktaufnahme mit den betroffenen Versicherungen und so weiter. Hier gibt es inzwischen Schadenmanagement-Software, die diese Prozesse abbildet und schnell reguliert.

 

Wer tut was womit?

Die Einsatzmöglichkeiten von Industrie 4.0 in Kombination mit Apps oder webbasierter Software ist also – zumindest aus aktueller Sicht – grenzenlos.
Im beschaulichen Wald-Michelbach im Odenwald, das zumindest optisch von industriellen Revolutionen unberührt geblieben ist, bietet ein junges Unternehmen eine innovative Leistung für Instandhaltungs- beziehungsweise Wartungs- und Supportleistungen an.

Die Adtance GmbH & Co. KG hat eine Datenbrille entwickelt, die via vorinstallierter Support-App ein Kamerabild in Echtzeit übertragen kann. Der Träger kann somit direkt über das integrierte Headset vom Support angeleitet werden. Das bietet den unschätzbaren Vorteil, dass nicht extra ein Techniker auf die Reise zum Kunden geschickt werden muss, missverständlicher oder sprachlich eingeschränkter Informationsaustausch am Telefon stattfindet.

Weiterer Pluspunkt: Falls aufgrund des Problems die Produktion still steht, geht es mit der Datenbrille wieder deutlich schneller weiter. Die Bildübertragung wird automatisch an die vor Ort verfügbare Bandbreite angepasst, so wird gewährleistet, dass die übertragenen Bilder jederzeit ohne Latenzprobleme sichtbar sind. Dafür steht eine Online-Plattform zur Verfügung, so dass keine zusätzlichen Softwares installiert werden müssen. Vergleichbar sind die Abläufe mit einer Art TeamViewer-Software – nur eben für die Fabrik. Die SmartGlass-App besitzt ein Script auf Java-Basis, bei der Online-Plattform griffen die Entwickler auf Ruby zurück. Dies erlaubt eine enorm skalierbare Plattform und die Möglichkeit, die App auch für andere Datenbrillen kompatibel zu machen.

Die Idee dazu kommt nicht einfach von irgendwoher. Die Geschäftsführer des Jungunternehmens haben sich mit befreundeten Maschinenbauern und Zulieferern zusammengesetzt, sich nach dem Stand der Dinge und nach erhofften Erleichterungen erkundigt. Mit diesen Informationen wurden schließlich App und Plattform entwickelt. Neben dem Hauptprodukt, lassen sich mit der Datenbrille und der Web-Oberfläche auch Schulungen durchführen – direkt an der Maschine, ohne verlorene Reisezeit oder zusätzliche Kosten durch Übernachtungen.

 

Der besondere Nutzen

Wenn man bedenkt, dass das Unternehmen vor noch nicht einmal einem Jahr gegründet wurde, sind die positiven Effekte bereits jetzt deutlich messbar. KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) aus dem Maschinenbau konnten mit Hilfe des SmartGlass-Supports die Standzeit ihrer Anlagen um bis 45 Prozent reduzieren, Reisekosten auf ein Minimum reduzieren und noch einige Punkte mehr, die jedoch von den einzelnen Unternehmen abhängig sind. Allem voran wurde aber auf jeden Fall die Kundenzufriedenheit verbessert.

Die Chancen und Möglichkeiten, welche die Digitalisierung mit sich bringt werden zurzeit allerdings noch nicht mal ansatzweise umgesetzt. Trotz des seit Jahren andauernden Hypes um die Tragweite von Industrie 4.0, gehen zu wenige Unternehmen tatsächlich die ersten Schritte in Richtung Digitalisierung. Und das, obwohl sie grundsätzlich dafür bereit und offen wären – denn der Nutzen, den die Betriebe daraus ziehen könnten ist ohne Frage enorm.

 

Ein mal Augmented Reality und Industrie 4.0 to go, bitte

Was mit dem Streben nach Industrie 4.0 klar sein dürfte: die Rolle der Mitarbeiter wird sich schwerwiegend ändern. Produktive Tätigkeiten werden zur Nebensache, rücken in den Hintergrund, dafür drängt sich die Überwachung oder Steuerung automatisierter Prozessschritte in den Vordergrund. Die Anforderungen an neue Bewerber gehen demnach weg vom anpackenden Kumpel am Band und hin zu technisch versierten Spezialisten. Zumindest ein Tablet sollte jeder, der in einer Smart Factory arbeiten will, schon mal in der Hand gehalten haben, denn Mobile Devices werden ganz ohne Zweifel ein wesentlicher Bestandteil der zukünftigen Unternehmensstrukturen.
Auf diese Entwicklung hat sich die OPC Foundation spezialisiert und bietet mit der Unified Architecture (OPC UA) eine Standardisierung für Machine-to-Machine (M2M) Kommunikationsprotokolle an. Prozessdaten werden sicher und verlässlich von der Anlage zu den Überwachungs- und Steuerungssystemen transportiert. Die Daten werden über einen XML-basierten Server via TCP Protokoll übermittelt. Der wirklich große Vorteil von OPC UA: es ist im Google Play Store zum Download erhältlich.

Ein mobiler Zugriff auf die OPC UA-Serverdaten bietet interessante Möglichkeiten:
-    Standortunabhängiger Zugriff
-    Informationen zu Maschinen oder Prozessen jederzeit abrufbar
-    Wenn nötig, kann jederzeit eingegriffen werden
-    Rollenbasierte Zugriffe für zum Beispiel Maschinenführer, Servicekräfte etc.


Dementsprechend wird sich das mobile Device zum neuen Allround-Werkzeug in den Unternehmen wandeln. Denkbar sind Szenarien, in denen der Techniker sich einer der Maschinen nähert und automatisch die benötigten Informationen auf das Display geschickt werden. Möglich wäre dies beispielsweise über Bluetooth Low Energie (BLE) Beacons. So können für jeden Arbeitsplatz die jeweilige Ansicht konfiguriert und die relevanten Prozesswerte oder Kontrollfunktionen angepasst werden.

 

Aufs Handy, ans Handgelenk und vor die Augen

Vorteil der offenen Struktur von OPC UA ist ohne Frage, dass neue Endgeräte jederzeit in das bereits bestehende System integriert werden können. Gerade jetzt, wo eine Smartwatch-Neuheit die nächste jagt und Smartglasses vereinzelt in den Unternehmen zum Einsatz kommen, kann der Einsatz der mobilen App einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
Push-Mitteilungen über kritische Zustände und wichtige Informationen werden an das Handgelenk übermittelt, oder sogar direkt in das Sichtfeld des zuständigen Technikers projiziert. So lassen sich Einstellungen umgehend ändern, ohne erst das Smartphone aus der Tasche kramen zu müssen, oder sogar zum Bedienfeld der Anlage gehen zu müssen. Mit den richtigen Apps ist sogar die komplette Steuerung der Maschinen keine Utopie mehr.

Einen ersten Schritt in diese Richtung geht das Aachener Unternehmen Bitstars mit dem Tool „Holobuilder“. Grundlage ist eine webbasierte Plattform zur Erstellung von industriellen Apps mit 2D oder 3D-Inhalten. Da alles komplett online abläuft, wird außer einem aktuellen Browser nichts Anderes benötigt. Geläufige 3D Models wie Wavefront oder Collada können per Drag & Drop in das Interface gezogen, positioniert, animiert und beschrieben werden.
Aber auch nichtdreidimensionale Komponenten, wie beispielsweise Checklisten, lassen sich integrieren. Die Kommunikation zwischen den Anlagen und den mobilen Endgeräten erfolgt über die OPC UA Server der Maschinen. Auf den Smartglasses, -phones oder -watches können die Informationen dann standortunabhängig abgerufen und – sofern zulässig – auch direkt gesteuert werden.
Detaillierte Arbeitsabläufe technischer Dokumentationen bis hin zu Bedienungsanleitungen lassen sich ebenfalls schrittweise visualisieren und das alles ohne Programmierkenntnisse.

https://www.youtube.com/embed/KIZyFown52o




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